Rabu, 09 November 2011

VERTRETER DER HERMENEUTIK

Tugas Literatur I, nyari tokoh-tokoh Hermeneutik, dan inilah yang saya temukan^^:

1.   Friedrich Schleiermacher  (* 21.11.1768, Breslau, † 12.02.1834, Berlin)
Für die Entwicklung der Hermeneutik im 19. Jahrhundert setzte der Theologe Friedrich Schleiermacher grundlegende Akzente. Für Schleiermacher war Hermeneutik die Kunst des Verstehens und die Technik der richtigen Auslegung. Er hat auf die durch Kant bewirkte fundamentale Verunsicherung reagiert, die in Bezug auf die menschliche Vernunft eingetreten ist: Deren Verstehensanstrengungen wurden seit Kant prinzipiell als begrenzt, perspektivisch und hypothetisch angesehen. Schleiermacher wollte deshalb Vorkehrungen gegen ein mögliches Missverstehen treffen: Der einzelne Gedanke solle aus dem Ganzen des Lebenszusammenhangs gedeutet werden, dem er entspringt.
Zwei Ebenen der Textauslegung gelte es den Regeln der Kunst gemäß zu beachten: die grammatische, die den sprachlichen Kontext des Schriftzeugnisses aufschlüsselt, und die psychologische, die die Motive des Verfassers zu erschließen trachtet, und zwar in einem Maße, dass der Interpret den Autoren zuletzt besser versteht, als es dieser selbst vermocht hat. Mit dieser Erweiterung verliert die Hermeneutik ihre traditionelle Beziehung zu Texten als Wahrheitsvermittlern. Stattdessen werden diese als der Ausdruck der Psyche, des Lebens und der geschichtlichen Epoche des Verfassers begriffen, und das Verstehen wird gleichgesetzt mit einem Wiedererleben und Einleben in das Bewusstsein, das Leben und die geschichtliche Epoche, aus der die Texte entstammen. Bezogen auf die Bibelexegese, die Schleiermacher vorschwebte, vertrat er, dass die Autoren nur aus ihrer gesamten Lebenssituation heraus verstanden werden könnten. Die Hermeneutik wird zu einer allgemeinen Kunstlehre, sich in das Leben einzufühlen, das hinter einem gegebenen Geistesprodukt steht. Ein Interpret versucht, sich in das Denken des Autors hineinzuversetzen, um den schöpferischen Akt nachzuvollziehen und auf diese Weise den möglichen Sinn des Kunstwerkes aufzudecken. Diese Theorie des „Einlebens“, welche Schleiermacher Divination nennt, wird mit einer allgemeinen metaphysischen Theorie verbunden, nach der Verfasser und Leser beide Ausdruck ein und desselben überindividuellen Lebens (des Geistes) sind, welches sich durch die Weltgeschichte entwickelt.Bereits Schleiermacher hat die Fremdheit des zu Verstehenden als eines der zentralen Themen in die hermeneutische Diskussion eingeführt. Er geht von einer grundsätzlichen Differenz zwischen dem verstehenden Subjekt und dem zu Verstehenden aus. Die Überwindung dieser Differenz sei Aufgabe der Hermeneutik als Kunst des Verstehens und sei grundsätzlich möglich. Dieser Optimismus der prinzipiellen Überwindbarkeit der Fremdheit des zu Verstehenden hat die weitere hermeneutische Diskussion nachhaltig geprägt.

Hermeneutik und Kritik (1838)

Schleiermacher hat seine Überlegungen zur Hermeneutik zwischen 1810 und 1830 regelmäßig in (theologischen) Vorlesungen vorgetragen, aber offensichtlich nie eine Publikation geplant. Für die Nachlaßedition von Hermeneutik und Kritik zeichnet sein Schüler Friedrich Lücke verantwortlich. Die Einleitung umreißt Schleiermachers wichtigste Ideen zur Hermeneutik in thesenhaft zugespitzter Form:
"Einleitung
1.  Die Hermeneutik als Kunst des Verstehens existiert noch nicht allgemein, sondern nur mehrere spezielle Hermeneutiken. [...]
2.    Es ist schwer, der allgemeinen Hermeneutik ihren Ort anzuweisen. [...]
3.    Da Kunst zu reden und zu verstehen (korrespondierend) einander gegenüberstehen, Reden aber nur die äußere Seite des Denkens ist, so ist die Hermeneutik im Zusammenhang mit der Kunst zu denken und also philosophisch. [...]
4.    Das Reden ist die Vermittlung für die Gemeinschaftlichkeit des Denkens [...].
1.  Reden ist freilich auch Vermittlung des Denkens für den Einzelnen. Das Denken wird durch innere Rede fertig, und insofern ist die Rede nur der gewordene Gedanke selbst. Aber wo der Denkende nötig findet, den Gedanken sich selbst zu fixieren, da entsteht auch Kunst der Rede, Umwandlung des urspünglichen, und wird hernach auch Auslegung nötig.
2.  Die Zusammengehörigkeit der Hermeneutik und Rhetorik besteht darin, daß jeder Akt des Verstehens die Umkehrung eines Aktes des Redens ist, indem in das Bewußtsein kommen muß, welches Denken der Rede zum Grunde gelegen.
5.1. Jede Rede setzt voraus eine gegebene Sprache. Man kann dies zwar auch       
umkehren, nicht nur für den ganzen Verlauf, weil die Sprache wird durch das Reden; aber die Mitteilung setzt auf jeden Fall die Gemeinschaftlichkeit der Sprache, also eine gewisse Kenntnis derselben voraus. Wenn zwischen die unmittelbare Rede und die Mitteilung etwas tritt, also die Kunst der Rede anfängt: so beruht dies teils auf der Besorgnis, es möchte dem Hörenden etwas in unserm Sprachgebrauch fremd sein.
2. Jede Rede beruht auf einem früheren Denken. Man kann dieses auch umkehren, aber in bezug auf  die Mitteilung bleibt es wahr, denn die Kunst des Verstehens geht nur bei fortgeschrittenem Denken an. 3. Hiernach ist jeder Mensch auf der einen Seite ein Ort, in welchem sich eine gegebene Sprache auf eine eigentümliche Weise gestaltet, und seine Rede ist nur zu verstehen aus der Totalität der Sprache. Dann aber ist er auch ein sich stetig entwickelnder Geist, und seine Rede ist nur als eine Tatsache von diesem im Zusammenhang mit den übrigen. [...]
3. Ebenso ist jede Rede immer nur zu verstehen aus dem ganzen Leben, dem sie angehört, d.h., da jede Rede nur als Lebensmoment des Redenden in der Bedingtheit aller seiner Lebensmomente erkennbar ist, und dies nur aus der Gesamtheit seiner Umgebungen, wodurch seine Entwicklung und sein Fortbestehen bestimmt werden, so ist jeder Redende nur verstehbar durch seine Nationalität und sein Zeitalter.
6. Das Verstehen ist nur ein Ineinandersein dieser beiden Momente (des grammatischen und psychologischen). [...]
7. Beide stehen einander völlig gleich, und mit Unrecht würde man die grammatische Interpretation die niedere und die psychologische die höhere nennen. [...]
8. Das Auslegen ist Kunst. [...]
9. Die glückliche Ausübung der Kunst beruht auf dem Sprachtalent und dem Talent der einzelnen Menschenkenntnis." (S. 75-82)
Friedrich Daniel Ernst Schleiermacher: Hermeneutik und Kritik. Mit einem Anhang sprachphilosophischer Texte Schleiermachers, hg.v. Manfred Frank, Frankfurt/M. 1977.

2. Wilhelm Dilthey (* 19.11.1833, Wiesbaden, † 01.10.1911, Seis bei Bozen)
Bei Wilhelm Dilthey kam es zu einer systematischen Neubegründung der Idee der Geisteswissenschaften auf eine verstehende und beschreibende Psychologie. Der Mensch lebt im Gegensatz zur Natur und hat Erlebnisse. Das Erlebnis ist das Einzige, was unmittelbar gewiss ist: „Die Natur erklären wir, das Seelenleben verstehen wir.“ Entsprechend unterscheidet Dilthey zwei psychologische Erkenntnisweisen, nämlich die beschreibende und zergliedernde Psychologie einerseits und die an der naturwissenschaftlichen Methode orientierte erklärende und konstruktive Psychologie andererseits. Dabei ist das Verstehen vor allem die Methode der beschreibenden und zergliedernden Psychologie. Das Seelenleben wird von dieser als ein primär gegebener, einziger Zusammenhang begriffen. In diesem sind nicht nur die Bestandteile, sondern auch deren Verbindungen, mithin die Übergänge eines Seelenzustandes zum anderen mitsamt dem Erwirken, das von einem zum anderen führt, in innerer Wahrnehmung ursprünglich gegeben, das heißt erlebt. Das Verstehen beruht dabei nicht auf rein intellektuellen Erkenntnisakten sondern auf dem „Zusammenwirken aller Gemütskräfte in der Auffassung.“ Dagegen versucht die erklärende oder konstruktive Psychologie, die seelischen Erscheinungen aus einem Kausalzusammenhang abzuleiten. Dieser ist aber nicht ursprünglich in der Wahrnehmung gegeben, das heißt er ist nicht erlebt. Stattdessen wird er aus einer begrenzten Anzahl von Elementen erst mithilfe verbindender Hypothesen konstruktiv erschlossen. Beide psychologische Erkenntnisweisen ergänzen sich aber. Die beschreibende Psychologie fasst die seelischen Erscheinungen in feste, beschreibende Begriffe. Diese geben dann ihrerseits die Basis für Hypothesenbildungen der erklärenden Psychologie ab.
Das Ganze ist die Lebenseinheit. Das Einzelne soll aus dem Zusammenhang des Ganzen verstanden werden. Die Lebensstruktur wird analog zu einem Text interpretiert, sie baut ihre Einheit aus ihrer eigenen Mitte heraus auf. Das Ganze bestimmt den Sinn und die Bedeutung der Teile, jeder Teil drückt etwas vom Ganzen aus: „Wir gehen im Verstehen vom Zusammenhang des Ganzen, der uns lebendig gegeben ist, aus, um aus diesem das Einzelne uns fassbar zu machen.“ Das Verstehen von Geschichtlichem setzt einen „historischen Sinn“ voraus - so wie sich die Bedeutung eines einzelnen Wortes vom Satz her erschließt, der Satz seinen Sinn durch den Kontext des ganzen Textes erhält und der Text nur dann wirklich verstanden wird, wenn alle überlieferten Texte für die Auslegung herangezogen werden. Das historische Verstehen breitet sich über alle einzelnen Gegebenheiten aus und wird universal, weil es in der Totalität des Geistes seinen Grund findet.
Unter dem Eindruck des fulminanten Aufschwungs und Prestigegewinns der Naturwissenschaften im 19. Jahrhundert kommt es Dilthey vor allem darauf an, den Geisteswissenschaften einen klar definierten Zuständigkeitsbereich nachzuweisen und vorzubehalten, indem er, ausgehend von den Naturwissenschaften, Abgrenzungen vornimmt:
Wir bemächtigen uns dieser physischen Welt durch das Studium ihrer Gesetze. Diese Gesetze können nur gefunden werden, indem der Erlebnischarakter unserer Eindrücke von der Natur, der Zusammenhang, in dem wir, sofern wir selber Natur sind, mit ihm stehen, das lebendige Gefühl, in dem wir sie genießen, immer mehr zurücktritt hinter das abstrakte Auffassen derselben nach den Relationen von Raum, Zeit, Masse, Bewegung. Alle diese Momente wirken dahin zusammen, dass der Mensch sich selbst ausschaltet, um aus seinen Eindrücken diesen großen Gegenstand Natur als eine Ordnung nach Gesetzen zu konstruieren. Sie wird dem Menschen zum Zentrum der Wirklichkeit.
Aber derselbe Mensch wendet sich dann von ihr rückwärts zum Leben, zu sich selbst. Dieser Rückgang des Menschen in das Erlebnis, durch welches für ihn erst die Natur da ist, in das Leben, in dem allein Bedeutung, Wert und Zweck auftritt, ist die andere große Tendenz, welche die wissenschaftliche Arbeit bestimmt. Ein zweites Zentrum entsteht. Alles, was der Menschheit begegnet, was sie erschafft und was sie handelt, die Zwecksysteme, in denen sie sich auslebt, die äußeren Organisationen der Gesellschaft, zu der die Einzelmenschen in ihr sich zusammenfassen – all das erhält nur hier eine Einheit. Von dem sinnlich in der Menschengeschichte Gegebenen geht hier das Verstehen in das zurück, was nie in die Sinne fällt und doch in diesem Äußeren sich auswirkt und ausdrückt.“
– Wilhelm Dilthey 1910.
Die Hermeneutik wird damit auf jenen geschichtlichen Boden verwiesen, ohne den geisteswissenschaftliche Erkenntnis nach Dilthey nicht zu erlangen ist, da jedem individuellen menschlichen Leben die kulturgeschichtlichen Voraussetzungen konstitutiv mitgegeben sind. Die Abgrenzung der geisteswissenschaftlichen Hermeneutik von naturwissenschaftlichen Methoden vollzog er unter anderem am Beispiel der Psychologie. Der „erklärenden“ Psychologie, die er in der Nähe der auf Hypothesenbildung und Kausalitäten gegründeten Erkenntnisweise der Naturwissenschaften sah, setzte Dilthey eine auf das Verstehen von Erlebniszusammenhängen gegründete Psychologie entgegen. Der historisch-hermeneutische Horizont wird von Dilthey weit ausgespannt:
Von der Verteilung der Bäume in einem Park, der Anordnung der Häuser in einer Straße, dem zweckmäßigen Werkzeug des Handwerkers bis zu dem Strafurteil im Gerichtsgebäude ist um uns stündlich geschichtlich Gewordenes. Was der Geist heute hineinverlegt von seinem Charakter in seine Lebensäußerung, ist morgen, wenn es dasteht, Geschichte. Wie die Zeit voranschreitet sind wir von den Römerruinen, Kathedralen, Lustschlössern der Selbstherrschaft umgeben. Geschichte ist nichts vom Leben Getrenntes, nichts von der Gegenwart durch ihre Zeitferne Gesondertes. […] Nur was der Geist geschaffen hat, versteht er. Die Natur, der Gegenstand der Naturwissenschaft, umfasst die unabhängig vom Wirken des Geistes hervorgebrachte Wirklichkeit. Alles, dem der Mensch wirkend sein Gepräge aufgedrückt hat, bildet den Gegenstand der Geisteswissenschaften.“
– Wilhelm Dilthey 1910.
Diltheys Bestreben, eine universelle Methodik der auf „geschichtlichen Seelenvorgängen“ beruhenden Geisteswissenschaften zu entwickeln und diese von den Gegenständen und Arbeitsweisen der Naturwissenschaften abzugrenzen, übte einen nachhaltige Wirkung aus. Er wollte hinter alle Relativität auf ein Konstantes zurückzugehen und entwarf eine einflussreiche Typenlehre der Weltanschauungen, die der Mehrseitigkeit des Lebens entsprechen sollte.

3. Martin Heidegger (* 26. September 1889 in Meßkirch; † 26. Mai 1976 in Freiburg im Breisgau)
Martin Heidegger hat die Hermeneutik zusätzlich mit Bedeutung aufgeladen, indem er sie – weniger in seinem Hauptwerk Sein und Zeit als in seinen Vorlesungen der frühen 1920er Jahre – als Grundlage menschlicher Daseinssorge und Daseinsbewältigung begreiflich zu machen suchte. Verstehen ist ein konstitutives Element der gesamten Seinsverfassung des Menschen, ein „Existenzial“. Verstehen ist hier nicht mehr ein Verhalten des menschlichen Denkens unter anderen, sondern die Grundbewegtheit des menschlichen Daseins. Das Dasein selbst ist durch Seinsverständnis ausgezeichnet, es besitzt ein hermeneutisches Wesen. Dasein heißt immer auch Verstehen. Es geht um eine verstehende Auslegung dessen, was Dasein ist und als was es sich selbst versteht. Hermeneutik ist für Heidegger weder das Auslegen noch eine Auslegungslehre. Es ist der Versuch, das Wesen der Auslegung zu allererst aus dem Hermeneutischen zu bestimmen. Es muss aus dem Wesen des Daseins bestimmt werden, das sich selbst in der Welt und in der Geschichte auslegt. Sein Verstehenskonzept setzt weit vor der geisteswissenschaftlichen Erkenntnissuche an und bildet als ein „Sich-auf-etwas-Verstehen“ im Lebensalltag die unabdingbare Voraussetzung allen praktischen Könnens.
„Dieses, nennen wir es ‚praktische‘, Verstehen denkt Heidegger als ‚Existenzial‘, d. h. als Seinsweise oder Grundmodus, kraft dessen wir in der Welt zurechtkommen und zurechtzukommen suchen. Das Verstehen bedeutet weniger eine ‚Weise des Erkennens‘ als ein von Sorge getragenes Sichauskennen in der Welt. […] Dies steht im Einklang mit der grundlegenden Bemühung der Hermeneutik um ein Erreichen dessen, was vor, oder besser: in oder hinter der Aussage steht, kurzum um die Seele, die sich im Wort ausdrückt. Es besteht kein Zweifel, dass Heidegger diesem Streben des hermeneutischen Verstehens folgt, um es gleichwohl durch die universale Einbettung des Verstehens in die Sorgestruktur des Daseins zu radikalisieren. […] Es wäre aber ein Missverständnis der Intentionen Heideggers, würde man meinen, die Selbstauslegung des Daseins habe außerhalb der Sprache zu erfolgen. […] Nicht um ein Verkennen oder Verdrängen der Sprache kann es sich handeln. Heidegger will lediglich, dass man in jedem gesprochenen Wort die sich kundgebende Sorge des Daseins mithört.“
– Jean Grondin.
In einer Linie mit der von Dilthey gemeinten „Kritik der historischen Vernunft“ liegt Heideggers Begriff der „Geworfenheit“, der die geschichtliche Perspektive reflektiert, die allem Verstehen beigegeben ist:
Die Hermeneutik hat die Aufgabe, das je eigene Dasein in seinem Seinscharakter diesem Dasein selbst zugänglich zu machen, mitzuteilen, der Selbstentfremdung, mit der das Dasein geschlagen ist, nachzugehen. In der Hermeneutik bildet sich für das Dasein eine Möglichkeit aus, für sich selbst verstehend zu werden und zu sein.“
– Martin Heidegger.
Der Mensch wird so zu einem Wesen, das sich zu sich selbst verhält. Dieses Verhältnis ist ein unmittelbares, prä-reflexives Wahrhaben des In-der-Welt-Seins und keine reflexive Selbsterkenntnis. Das Verstehen geht der Reflexion voraus. Die Seiten des In-der-Welt-Seins sind Verstehen, Befindlichkeit und Sorge. Sie liegen der Erkenntnis und dem diskursiven Denken zugrunde. Heideggers früh skizzierte philosophische Hermeneutik, der er bis zu seinem Tode keine systematische Ausarbeitung mehr hat folgen lassen, erlangte für die Auseinandersetzung um die Hermeneutik im 20. Jahrhundert weitreichende Bedeutung.

4.  Hans-Georg Gadamer (* 11.2.1900, Marburg, † 13.3.2002, Heidelberg)
Philosoph
1960 veröffentlichte der Heidegger-Schüler Hans-Georg Gadamer sein Hauptwerk Wahrheit und Methode, den großangelegten Versuch einer "philosophischen Hermeneutik". Darin geht es ihm um "Wahrheit" statt "Methode" (verstanden als Verfahrensweise, die sachliche oder symbolische Zusammenhänge nach intersubjektiv kontrollierten Regeln, also nach dem Vorbild der mathematisch-naturwissenschaftlichen "Methode" zu analysieren sucht). Dieses Werk löste in der Folgezeit auch eine verstärkte hermeneutische Reflexion in der deutschen Literaturwissenschaft aus.
Hermeneutik ist für Gadamer mehr Geschehen als Verstehen. Sie ist die besondere Art und Weise, in der ein kulturell gewachsener Überlieferungs-, Traditions- und Normzusammenhang aufrechterhalten bzw. weiterentwickelt wird. Dabei akzentuiert Gadamer die Sprachlichkeit des hermeneutischen Geschehens, d.h.er betont die Vorgegebenheit eines Sprachsystems und die Teilhabe der Individuen daran. Durch das Lesen, Auslegen und Weitervermitteln von überlieferten Texten, vor allem auch durch ihre Neuinterpretation, schließen wir unsere Gegenwart immer aufs Neue an die soziokulturelle Tradition an.
Gadamer hebt die Bedeutung hervor, die der historische Ort des Verstehenden für dessen Verstehen besitzt. Diese Bedeutung erläutert er am Begriff des "Vorurteils". Er wird bei ihm nicht, wie in der Tradition der Aufklärung und auch noch bei Schleiermacher, negativ verstanden als Quelle des Mißverstehens. Das "Vor-Urteil" ist bei Gadamer die durch Lebensgeschichte und Bildungsgeschichte vorstrukturierte Verstehensfähigkeit des jeweiligen Subjekts, die es nun versuchsweise auf das neu zu Verstehende "entwerfen" kann und meist korrigieren wird. In diesem Sinn ist das Vorurteil für ihn nicht Störung, sondern geradezu produktive Bedingung des geschichtlichen Verstehens.
Produktiv und eine Bedingung fast allen hermeneutischen Geschehens ist für Gadamer daher auch der Zeitabstand (die hermeneutische Differenz) zwischen (gegenwärtigem) Leser und (überliefertem) Text, den ja noch Dilthey im Akt der Einfühlung überspringen wollte. Konkretisiert wird diese geschichtliche Grundstruktur des Verstehens von Gadamer in der Metapher des "Horizonts". Damit meint er den "Gesichtskreis, der all das umfaßt und umschließt, was von einem Punkte aus sichtbar ist" (S. 286). Der jeweils gegenwärtige Horizont ist in der historischen und kulturellen Traditon von früheren Horizonten jedoch nicht grundsätzlich verschieden, denn er bildet sich gar nicht ohne die Vergangenheit. Tatsächlich ist er in steter Bildung begriffen, da wir alle unsere Vorurteile ständig erproben. Die hermeneutische Tätigkeit ist eine mehr oder weniger bewußte Konfrontation mit der Tradition, die im Vollzug des Verstehens eine "Verschmelzung" des gegenwärtigen mit dem vergangenen Horizont vollbringt.
Wenn nun nicht allein die einzelne hermeneutische Situation (also z.B. die Lektüre oder Auslegung eines überlieferten Textes) betrachtet wird, sondern auch die Tatsache, daß sie in aller Regel auf eine ganze Reihe von entsprechenden Situationen folgt und ihrerseits wiederum neue, nachfolgende hervorrufen kann, so eröffnet sich eine Dimension, die Gadamer Wirkungsgeschichte nennt. (An diese Überlegungen knüpft in den siebziger Jahren besonders die literaturwissenschaftliche Schule der Rezeptionsästhetik und -geschichte an.) Wirkungsgeschichtliches Bewußtsein hat die eigene Situation nicht naiv, sondern reflektiert an die Überlieferung anzuschließen. Es soll die Zugehörigkeit der Gegenwart zur Tradition artikulieren, aber nie vergessen, was sie von ihr trennt. Die Einschätzung Gadamers als eines eher konservativen oder eher vorwärtsweisenden Denkers hängt letzlich davon ab, wo der Akzent gesetzt wird: auf der Traditionsverbundenheit oder auf der Abgrenzung von der Tradition.

Wahrheit und Methode (1960)
Eine entscheidende Frage für die Hermeneutik ist ihr Umgang mit der sogenannten hermeneutischen Distanz, also etwa der historischen Differenz zwischen Text und Leser / Interpret. Hans-Georg Gadamer diskutiert diese Frage unter dem Begriff des Zeitabstands:
"Die hermeneutische Bedeutung des Zeitabstandes
Die Hermeneutik muß davon ausgehen, daß wer verstehen will, mit der Sache, die mit der Überlieferung zur Sprache kommt, verbunden ist und an die Tradition Anschluß hat oder Anschluß gewinnt, aus der die Überlieferung spricht. Auf der anderen Seite weiß das hermeneutische Bewußtsein, daß es mit dieser Sache nicht in der Weise einer fraglos selbstverständlichen Einigkeit verbunden sein kann, wie sie für das ungbrochene Fortleben einer Tradition gilt. Es besteht wirklich eine Polarität von Vertrautheit und Fremdheit, auf die sich die Aufgabe der Hermeneutik gründet, nur daß diese nicht mit Schleiermacher psychologisch als die Spannweite, die das Geheimnis der Individualität birgt, zu verstehen ist, sondern wahrhaft hermeneutisch, d.h. im Hinblick auf ein Gesagtes: die Sprache, mit der die Überlieferung uns anredet, die Sage, die sie uns sagt. Auch hier ist eine Spannung gegeben. Die Stellung zwischen Fremdheit und Vertrautheit, die die Überlieferung für uns hat, ist das Zwischen zwischen der historisch gemeinten, abständigen Gegenständlichkeit und der Zugehörigkeit zu einer Traditon. In diesem Zwischen ist der wahre Ort der Hermeneutik. [...]
Nun ist die Zeit nicht mehr primär ein Abgrund, der überbrückt werden muß, weil er trennt und fernhält, sondern sie ist in Wahrheit der tragende Grund des Geschehens, in dem das Gegenwärtige wurzelt. Der Zeitabstand ist daher nicht etwas, was überwunden werden muß. Das war vielmehr die naive Voraussetzung des Historismus, daß man sich in den Geist der Zeit versetzen, daß man in deren Begriffen und Vorstellungen denken solle und nicht in seinen eigenen und auf diese Weise zur historischen Objektivität vordringen könne. In Wahrheit kommt es darauf an, den Abstand der Zeit als eine positive und produktive Möglichkeit des Verstehens zu erkennen. Er ist nicht ein gähnender Abgrund, sondern ist ausgefüllt durch die Kontinuität des Herkommens und der Tradition, in deren Lichte uns alle Überlieferung sich zeigt. Hier ist es nicht zuviel, von einer echten Produktivität des Geschehens zu sprechen. Jedermann kennt die eigentümliche Ohnmacht unseres Urteils dort, wo uns nicht der Abstand der Zeiten sichere Maßstäbe anvertraut hat. So ist das Urteil über gegenwärtige Kunst für das wissenschaftliche Bewußtsein von verzweifelter Unsicherheit. Offenbar sind es unkontrollierbare Vorurteile, unter denen wir an solche Schöpfungen herangehen, Voraussetzungen, die uns viel zu sehr einnehmen, als daß wir sie wissen könnten und die der zeitgenössischen Schöpfung eine Überresonanz zu verleihen vermögen, die ihrem wahren Gehalt, ihrer wahren Bedeutung nicht entspricht. Erst das Absterben aller aktuellen Bezüge läßt ihre eigene Gestalt sichtbar werden und ermöglicht damit ein Verständnis des in ihnen Gesagten, das verbindliche Allgemeinheit beanspruchen kann.
Es ist diese Erfahrung, die in der historischen Forschung zu der Vorstellung geführt hat, daß erst aus einem gewissen geschichtlichen Abstande heraus objektive Erkenntnis erreichbar werde. Es ist wahr, daß das, was an einer Sache ist, der ihr selbst einwohnende Gehalt, sich erst im Abstand von der aus flüchtigen Umständen entstandenen Aktualität scheidet. [...] Gewisse Fehlerquellen sind da von selbst ausgeschaltet. Aber es fragt sich, ob das hermeneutische Problem sich damit erschöpft. Der zeitliche Abstand hat offenbar noch einen anderen Sinn als den der Abtötung des eigenen Interesses am Gegenstand. Er läßt den wahren Sinn, der in einer Sache liegt, erst voll herauskommen. Die Ausschöpfung des wahren Sinnes aber, der in einem Text oder in einer künstlerischen Schöpfung gelegen ist, kommt nicht irgendwo zum Abschluß, sondern ist in Wahrheit ein unendlicher Prozeß." (S. 279ff.)

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